
Im Buch Paranormale Behauptungen auf dem Prüfstand – Von Wünschelruten, Elektrosmog und Parapsychologie (https://www.google.com/search?q=978-3-662-69898-3) präsentiere ich Lebensgeschichten von einigen berühmten Skeptikern und Wissenschaftlern. Gendern ist hier nicht nötig, denn alle Skeptiker und Wissenschaftler, die ich betrachtete, waren Männer. Aus diesem Grund möchte ich hier einige Lebensgeschichten von Frauen präsentieren, die sich ebenfalls um die Wissenschaft und um das kritische Denken verdient gemacht haben.
Das 20. Jahrhundert brachte viele Neuerungen in der Physik und in der Chemie. Parallel zur Entdeckung der Quantennatur der Materie und der Relativität von Raum und Zeit verlief die Entdeckung der Radioaktivität. Der deutsche Chemiker und Apotheker Martin H. Klaproth (1743 – 1817) entdeckte bereits 1789 das Element Uran (92), welches damals zum Färben von Glas verwendet wurde. Er konnte es aus dem Mineral Pechblende isolieren und es wurde nach dem Planeten Uranus, der acht Jahre zuvor entdeckt worden war, benannt. Seine Strahlung blieb aber bis ins 20. Jahrhundert unentdeckt. Klaproth entdeckte auch die Elemente Zirkonium (40) und Cer (58).
Am Beginn der Radioaktivitätsforschung steht der französische Physiker Henri Becquerel (1852 – 1908), welcher sich 1896 für die neuen X-Strahlen von Wilhelm C. Röntgen (1845 – 1923) interessierte und untersuchte, ob sie mit dem Phänomen der Fluoreszenz zusammenhängen. Fluoreszenz meint die spontane Emission von Licht, kurz nachdem ein Material durch Licht angeregt wurde. Dazu untersuchte Becquerel, ob fluoreszierende Materialien fähig seien, eine Fotoplatte, ohne die Einwirkung von Sonnenlicht zu schwärzen. Er konzentrierte sich auf Uran und seine fluoreszierenden Eigenschaften, da es bei Lichteinwirkung leuchtete. Seine Idee war, dass das Uran möglicherweise unsichtbare Strahlung aussendet, ähnlich wie Röntgenstrahlen. Um das zu testen, legte Becquerel Uransalze auf eine lichtempfindliche Fotoplatte, die in schwarzes Papier eingewickelt war, damit kein Sonnenlicht die Platte belichten konnte. Seine Theorie war, dass das Sonnenlicht das Uran aktivieren und es Strahlen aussenden würde, die dann die Fotoplatte schwärzen würden. Doch dann kam alles ganz anders.

Image of Becquerel’s photographic plate which has been fogged by exposure to radiation from a uranium salt. The shadow of a metal Maltese Cross placed between the plate and the uranium salt is clearly visible (Public Domain).
In der Woche, als er das Experiment durchführen wollte, war das Wetter in Paris so schlecht, dass sie Sonne nicht schien. Er musste das Experiment verschieben und legte er die eingewickelte Fotoplatte zusammen mit den Uransalzen in eine dunkle Schublade, um es später durchzuführen. Als er die Fotoplatte einige Tage später entwickelte, entdeckte er, dass sie stark geschwärzt war – und zwar in genau der Form, in der das Uran darauf gelegen hatte. Dies war äußerst überraschend, denn die Platte war nie dem Sonnenlicht ausgesetzt gewesen. Becquerel erkannte, dass die Schwärzung der Platte nicht durch Sonnenlicht oder Fluoreszenz, sondern direkt durch die Uransalze verursacht worden war. Dies war der entscheidende Moment, in dem er begriff, dass es eine bisher unbekannte Strahlung gab, die von Uran und möglicherweise anderen Stoffen ausging. Doch Becquerel hatte kein weiteres Interesse an der Uranstrahlung.

Pierre und Marie Curie in ihrem Laboratorium in der Rue Cuvier (Public Domain).
Gerade deswegen entschied sich die polnischstämmige Mariah Carey ääääh Marie Curie (1867 – 1923) auf diesem von Becquerel neu entdeckten Forschungsgebiet zu promovieren. Sie entdeckte, dass gewisse Elemente radioaktiv sind. Sie war die erste anerkannte Wissenschaftlerin der Neuzeit und es kostete sie viele Mühen, es in einer Männerwelt zu werden.
Polen war von Preußen, Österreich und Russland unterworfen und es war in drei Teile aufgeteilt. Frauen waren damals an polnischen Universitäten nicht zugelassen. Sie schloss sich geheimen Studentengruppen an, um intellektuell aktiv sein zu können. Diese Gruppen waren jedoch bei Strafe verboten. Ihre ältere Schwester Bronisława Dłuska (1865 – 1939) und Marie schmiedeten den Plan, nach Paris zu gehen. Sie verließ Warschau und ging aufs Land um Lehrerin zu werden und um Geld zu sparen. Sie wollte Bronisława, welche bereits in Paris verheiratet war, später folgen. Ihr Cousin war Assistent des russischen Chemikers Dmitri I. Mendelejew (1834 – 1907), welcher das Periodensystem aufstellte, in dem aber noch einige Lücken klafften. Durch ihn bekam sie die Gelegenheit, in einem Labor zu arbeiten. Mendelejew wird auch zugeschrieben, wichtige Beiträge zur Wodkaherstellung geliefert zu haben, was jedoch ein Mythos ist.
Mit 24 konnte Marie Curie endlich nach Paris zu ihrer Schwester ziehen, wo sie ein gänzlich anderes Leben führen konnte. Sie studierte Physik an der Sorbonne, wo damals nur 3% Frauen eingeschrieben waren. Sie erbrachte glänzende Leistungen und erlangte einen Auftrag der Industrie. Sie sollte magnetische Eigenschaften der Metalle erforschen, wodurch sie Kontakt zum Physiker Pierre Curie (1859 – 1906) bekam. Er wollte sie in Paris halten, doch Marie kehrte nach Polen zurück. Als sie sich für eine Stelle an der Krakauer Universität bewarb, wurde sie zurückgewiesen, weil sie eine Frau war.
Daraufhin kehrte sie für ein weiteres Jahr nach Paris zurück. Es entwickelte sich eine Zuneigung zwischen Pierre und Marie, sie heirateten und Marie blieb in Paris. Danach begann sie ihre Promotion auf dem Gebiet der Uran-Strahlen. Sie untersuchte Salze, Metalle und Oxide und erfand eine Methode, deren Strahlung zu quantifizieren. Die Apparaturen, die dazu von ihrem Mann entwickelt wurden, wandelten die Strahlung in Ströme um. Sie waren so empfindlich, um kleinste Ströme von 10−14 Ampere messen zu können. Auch als junge Mutter arbeitete sie weiter. Nach kurzer Zeit hatten sie ihren ersten Erfolg zu verbuchen. Sie fanden das Element Thorium mit der Ordnungszahl 90 und bewiesen, dass es auch radioaktiv ist. Sie fanden auch heraus, dass allein die Menge an radioaktivem Material die Stärke der Strahlen bestimmt, nicht jedoch die Art der chemischen Verbindung. Ein Zeichen dafür, dass diese Strahlung aus dem Atomkern kommt. Das uranhaltige Mineral Pechblende war sehr strahlungsaktiv, weit mehr als sein Urangehalt es zuließ. Darin fanden sie ein anderes unbekanntes radioaktives Element und nannten es zu Ehren Maries Heimat Polonium (Ordnungszahl 84). Ihr Mann arbeitete mit ihr, doch er ließ sie allein die Veröffentlichung schreiben – was damals sehr ungewöhnlich war. Es war nämlich unmöglich, dass eine Frau eine bedeutende wissenschaftliche Entdeckung macht.
Sie fanden noch ein unbekanntes Element in der Pechblende, welches noch stärker strahlte als Polonium. Sie nannten es Radium (Ordnungszahl 88) und es kam nur in sehr geringer Konzentration vor. Es war notwendig, viele Tonnen Pechblende zu verarbeiten, um nur ein zehntel Gramm Radium zu erhalten. Sie war für die Auftrennung des Materials zuständig, während Pierre die Messungen durchführte. Wenn sie nachts das Labor betrat, sah sie ein schwaches Leuchten, welches von den Proben ausging. So war sie großer Strahlenbelastung ausgesetzt, was damals noch niemand realisierte. Im Jahre 1903 erhielten Pierre und Marie Curie zusammen mit Henri Becquerel den Nobelpreis für Physik für die Entdeckung der Radioaktivität, bzw. der Alpha-Strahlung. Sie lieferten damit auch einen weiteren Beweis für die Atomnatur der Materie. Auch die beiden wurden über Nacht zu Berühmtheiten, was nicht sehr angenehm für sie war.
Ihr Mann starb 1906 bei einem Unfall und seine Lehrverpflichtungen wurden auf sie übertragen. Sie wurde so die erste Frau, die an der Sorbonne lehrte. Sie war bereits eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen ihrer Zeit, als sie sich um die Aufnahme in die Académie des sciences bemühte. Ein konservatives Blatt rief jedoch dazu auf, für ein männliches neues Mitglied abzustimmen. Sie verfehlte die Aufnahme nur knapp. Es kam zu einer Affäre, welche der gesundheitlich angeschlagenen Marie Curie viel Kraft abverlangte. Marie und ein Student ihres verstorbenen Mannes, der Physiker Paul Langevin (1872 – 1946), begannen eine Beziehung. Langevin ist für seine Arbeiten zur Moderierung von Neutronen bekannt, womit er den Bau von Kernreaktoren ermöglichte. Seine Frau drohte Marie Curie mit Mord und alle Briefe, die sich Marie und Paul geschrieben hatten, wurden entwendet. So kam es, dass in Frankreich eine Verleumdungskampagne der konservativen Presse gegen Marie lanciert wurde. Es kam sogar so weit, dass eine Zeitung eine Artikelserie zum Thema brachte, woraufhin Langevin den Journalisten, der die Briefe veröffentlichte, zu einem Duell herausforderte, das symbolisch ausgetragen wurde. Es fanden im Zuge dieser Affäre insgesamt fünf Duelle statt. Im Jahre 1911, auf dem Höhepunkt der Langevin-Affäre, erhielt sie ihren zweiten Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung des Elementes Radium. Das Nobelkomitee legte ihr nahe, den Preis nicht selbst entgegenzunehmen, um weitere Skandale zu vermeiden. Man sorgte sich um das Ansehen des Nobelpreises. Sie bestand jedoch darauf, den Preis persönlich entgegenzunehmen, sie gab dem Druck der Straße nicht nach.

Curie in a mobile X-ray vehicle, c. 1915 (Public Domain).
Im Ersten Weltkrieg entwickelte und baute sie viele Röntgenanlagen für die Armee, was bei der Chirurgie äußerst nützlich war. Sie und ihre Tochter Irène arbeiteten in Lazaretten sogar als Sanitäterinnen. 1921 unternahm sie mit beiden Töchtern eine Reise in die Vereinigten Staaten. Eine amerikanische Frauenzeitschrift organisierte eine Spende von einem Gramm Radium, das damals 100.000 Dollar wert war, um ihr Labor in Paris wiederaufzubauen. Sie sah auch das Weiße Haus von innen und sie konnte sehen, dass die Industrie ihre Verfahren zur Trennung der Erze bereits einsetzte.
Marie Curie litt über die Jahre hinweg zunehmend an einer Strahlenvergiftung. 1934 starb sie an einer Anämie, die wahrscheinlich auf ihren Umgang mit Radium zurückzuführen ist. Ihre Aufzeichnungen und sogar ihr Kochbuch sind heute in der Nationalbibliothek Frankreichs ausgestellt und dürfen nur mit einer Schutzkleidung betrachtet werden.
Das Element Radium wurde zum Modebegriff. Radioaktive Stoffe wie Radium und Thorium wurden oft als gesundheitsfördernd betrachtet und für eine Vielzahl von Anwendungen genutzt. Sie wurden nicht nur zu medizinischen Zwecken verwendet, sondern sie auch Alltagsprodukten wie Zahnpasta, Trinkwasser, Kochsalz und anderen Konsumgütern zugesetzt, da man glaubte, dass es den Körper revitalisiert und Energie spendet. Radiumpflaster wurden gegen Geschwulste eingesetzt. Dies war die erste Form der Strahlentherapie. Aber es gab auch viele Strahlentote durch die achtlose industrielle Verwendung von Radium. Sogenannte Zifferblattmalerinnen, welche Zifferblätter für Flugzeuginstrumente mit fluoreszierenden Radium-Präparaten bemalten, spitzten den Pinsel mit ihrem Mund zu. So wurden viele von ihnen vergiftet und starben an Krebs. Die Risiken der Radioaktivität wurden erst in den in den 1930er Jahren allmählich bekannt.
Ihre Tochter Irène Joliot-Curie (1897 – 1956) entdeckte mit ihrem Mann Frédéric Joliot-Curie (1900 – 1958), wie Atomkerne künstlich zum Strahlen angeregt werden können. Dafür bekamen beide den Nobelpreis in Chemie 1935 für das Erzeugen neuer Elemente.
Marie und Pierre Curie interessierten sich auch ein wenig für den Spiritismus. Um die Jahrhundertwende gab es in Europa ein verstärktes Interesse an paranormalen Phänomenen, das viele Intellektuelle anzog, darunter auch Wissenschaftler*innen. Marie Curies Interesse am Spiritismus war eng mit dem ihres Ehemanns, Pierre Curie, verbunden. Pierre war fasziniert von außergewöhnlichen Phänomenen und suchte nach einer wissenschaftlichen Erklärung dafür. Sie und andere Wissenschaftler*innen hatten 1905 in Paris einigen Séancen des italienischen Mediums Eusapia Palladino (1854 – 1918) beigewohnt. Palladino konnte angeblich physische Phänomene wie Klopfzeichen, schwebende Tische oder sogenannte ektoplasmatische Materialisierungen hervorbringen. Mehr über spiritistische Medien und ihre faulen Tricks erfährt Ihr im Buch.
Pierre war von diesen Sitzungen beeindruckt und führte zusammen mit anderen renommierten Wissenschaftlern Experimente durch, um die Phänomene zu untersuchen. Dabei ging es ihm weniger um einen Glauben an übernatürliche Kräfte, sondern vielmehr um die Frage, ob es wissenschaftliche Erklärungen für diese Phänomene geben könnte. In Briefen äußerte Pierre Curie Interesse an der Möglichkeit, dass Spiritismus möglicherweise natürliche, aber noch unbekannte physikalische Gesetze offenbaren könnte.
Marie nahm auch an einigen dieser Séancen teil, insbesondere nach Pierres Tod im Jahr 1906, der sie emotional schwer traf. Es gibt Berichte darüber, dass sie nach seinem Tod tiefe Trauer empfand und Trost im Kontakt mit spiritistischen Bewegungen suchte, die versprachen, mit Verstorbenen zu kommunizieren. Einige Quellen deuten an, dass sie sich erhoffte, auf diese Weise Pierre nahe zu sein. Allerdings gibt es keine Belege dafür, dass Marie Curie den Spiritismus jemals als echte, übernatürliche Kraft akzeptierte. Ihr rationales und wissenschaftliches Denken verhinderte, dass sie sich vollständig auf diese Ideen einließ, auch wenn sie sich möglicherweise emotional von den Sitzungen beeinflusst fühlte.
„Henri Becquerel – Biographical.“ The Nobel Foundation, 1903, https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1903/becquerel-bio.html.
„Pierre Curie – Biographical.“ The Nobel Foundation, 1903, https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1903/pierre-curie-bio.html.
„Marie Curie – Biographical.“ The Nobel Foundation, 1903, https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1903/marie-curie-bio.html.
„Marie Curie.“ Arte, 2011, http://programm.ard.de/TV/arte/marie-curie/eid_2872411649888196.
Bradshaw, G. „The Genius of Marie Curie – The Woman Who Lit up the World.“ BBC, 3.5.2013, https://www.imdb.com/title/tt3904252.
Huber, O. „Marie Curie: Die Frau mit den zwei Nobelpreisen.“ ARD, 18.10.2023, https://www.ardalpha.de/wissen/geschichte/historische-persoenlichkeiten/marie-curie-physik-chemie-radioaktivitaet-nobelpreis-100.html.
Jachan, M. „Paranormale Behauptungen auf dem Prüfstand – Von Wünschelruten, Elektrosmog und Parapsychologie.“ Springer, 2024, https://www.google.com/search?q=978-3-662-69898-3.