Freie Energie

Es ist die am besten bestätigte physikalische (und ökonomische) Tatsache, dass man Energie weder erzeugen noch vernichten kann.

Emmy Noether, vor 1910 (nachkoloriert), Autor/-in unbekannt, derivative work Lämpel -
Emmy Noether (1882-1935) (Public Domain).

Emmy Noether, vor 1910 (nachkoloriert), Autor/-in unbekannt, derivative work Lämpel – Emmy Noether (1882-1935) (Public Domain).

Die deutsche Mathematikerin Emmy Noether (1882 – 1935) stellte 1915 ein Theorem auf, welches besagt, dass für jedes Symmetrieprinzip eines physikalischen Systems eine entsprechende Erhaltungsgröße existiert. Das Noether-Theorem verbindet also Symmetrien der physikalischen Gesetze mit Erhaltungssätzen. Für die Energieerhaltung ist die Zeitsymmetrie maßgeblich: Es führt die Symmetrie der Zeit, also, die Tatsache, dass die physikalischen Gesetze in der Zeit unverändert bleiben, zu einer Erhaltungsgröße, die die Energie des Systems ist. Anders gesagt: Weil die physikalischen Gesetze zu jeder Zeit gleich sind – egal, ob wir eine Stunde früher oder später messen –, wird die Gesamtenergie eines abgeschlossenen Systems erhalten. Dieser Zusammenhang ist fundamental in der Physik, da andere Erhaltungssätze wie Impuls- und Drehimpulserhaltung ebenfalls auf Symmetrien zurückgeführt werden können.

Es gibt aber Leute, Zeitschriften, Webseiten und Unternehmen, die uns versprechen, dass man Energie gratis aus dem leeren Raum abziehen kann. Sie wollen uns sogar Bücher und Videos verkaufen, die zeigen, wie das geht. Ganz mutige verkaufen sogar Bausätze für Freie-Energie-Generatoren.

„Wenn die Freie Energie tatsächlich nutzbar wäre, wären solche Anlagen doch längst verfügbar“ sagen ihre Gegner*innen. Aber das mächtige Kartell aus Großindustrie und Geldmonopol hätte etwas dagegen. So unterdrückt es Freie-Energie-Maschinen, indem sie ihre Konstrukteur*innen verfolgt und lächerlich macht !!

Man kann Energie nur umwandeln, nicht aber erzeugen. Dazu braucht es Maschinen, die jemand gebaut hat – und dafür bezahlt werden will. Und dazu braucht man die ursprüngliche Energie, welche z. B. in Form von Brennstoffen, Wasserkraft, Sonne oder Wind aus der Natur kommt. Man braucht auch keine Doppelblindversuche durchzuführen, um herauszufinden, ob ein Perpetuum mobile (lat. perpetuum mobile ,(etwas) sich ständig Bewegendes‘) sich selbst ständig bewegt und auch noch Energie abgeben kann, dabei aber weder laufende Kosten verursacht noch Ressourcen verbraucht. Wir werden hier also einen Beweis nach wirtschaftlichen Kriterien führen, um zu zeigen, dass es keine Freie-Energie-Maschinen und andere Arten von Perpetua mobilia gibt, welche die Menschen gratis mit Energie versorgen können.

Perpetuum mobile mit Wasserrad (Public Domain).

Perpetuum mobile mit Wasserrad (Public Domain).

Ein Perpetuum mobile ist als ein Gerät definiert, welches nur einmal in Gang gesetzt werden muss, um danach ewig in Bewegung zu bleiben. Praktisch fällt immer eine gewisse Verlustenergie an, da kein Mechanismus ohne Reibung irgendeiner Art arbeiten kann. Somit müsste jedes Perpetuum mobile ein bisschen Energie von sonst wo herholen, um am Laufen bleiben zu können. Man unterscheidet bis zu drei Arten von Perpetua mobilia.

Ein Perpetuum mobile erster Art sei eine Maschine, die dem Energieerhaltungssatz bzw. dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik widerspricht. Energie ist also eine Erhaltungsgröße, Energieformen sind ineinander umwandelbar, aber sie können nicht erzeugt oder vernichtet werden. Ein Perpetuum mobile erster Art erzeuge also Energie aus dem Nichts. Man stelle sich Wasser vor, das nach unten fließt, ein Wasserrad antreibt, und sich so wieder hochpumpt.

Ein Perpetuum mobile zweiter Art verstößt gegen den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, der die Richtung der Energieumwandlung beschreibt. Diese geht immer zu größer werdender Unordnung. Wärme kann nicht von einem Bereich mit niedriger Temperatur in einen Bereich mit höherer Temperatur übertragen werden, ohne dass Energie dafür aufgewendet werden muss. Eine gleichmäßig verteilte Wärmeenergie kann man nicht umverteilen bzw. konzentrieren, sodass man eine Maschine mit dem Temperaturunterschied antreiben könnte, denn dies ist der Zustand minimaler Energie. Ein U-Boot, das Energie gewinnt, indem es das umgebende Wasser abkühlt, könnte nicht autonom fahren, da es durch seine Bewegung Reibungswärme erzeugt, die den Energiegewinn zunichtemacht.

Der dritte Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass man den absoluten Nullpunkt der Temperatur nicht erreichen kann. Man kann sich daran beliebig nähern, ihn aber nie erreichen. Ein Perpetuum mobile dritter Art ist als ein System definiert, welches Energie aus dem leeren Raum, also vom Zustand Null Kelvin, zu schöpfen versucht.

Es müssten die Grundfesten der klassischen Physik, der relativistischen Physik und der Quantenphysik fallen, damit ein Perpetuum mobile real werden könnte. Wenn es jemand schafft, Energie nutzbar zu machen, welche man nicht als Eintrag in die globale Energiebuchhaltung verbuchen kann, so muss man in Betracht ziehen, anstatt ein Perpetuum mobile entdeckt zu haben, eine neue Energieform entdeckt zu haben. Es kann ja sein, dass der Mensch noch nicht alle Energieformen vollständig verstanden hat. Bei den beiden Begriffen aus der Physik Dunkle Energie und Vakuumenergie bzw. Nullpunktsenergie bzw. Freie Raumenergie trifft dies zu. Wir haben den leeren Raum noch nicht zur Gänze verstanden, aber kann man deshalb Nutzenergie aus ihm herausziehen, wie einige Freaks im Web verkünden?

 
 
 
 
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Bevor wir nun zu den pseudowissenschaftlichen Freie-Energie-Maschinen kommen, müssen wir die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Vakuumenergie bzw. Nullpunktsenergie besprechen. Der Raum selbst hat, auch bei vollständiger Abwesenheit von allen Elementarteilchen, noch eine Raumenergie in sich. Selbst das absolute Vakuum trägt noch kleine Wirkungspakete, also Quanten, welche nach der Heisenberg’schen Unschärferelation von Zeit und Energie fluktuieren. Diese Teilchen entstehen aus dem Nichts und vergehen danach wieder ins Nichts, was eine minimale Energieschwankung über Raum und Zeit verursacht. Der Ausdruck „aus dem Nichts entstehen und danach wieder ins Nichts vergehen“ kann nur dann physikalisch korrekt sein, wenn man auch die zugehörigen Antiteilchen beachtet. Es wandeln sich also Teilchenpaare in Photonen um und umgekehrt. Der niederländische Physiker Hendrik B. Casimir (1909 – 2000) beschrieb den Casimir-Effekt, der mithilfe virtueller Teilchen und deren Fluktuationen die Vakuumenergie erklärt. Der Casimir-Effekt ist ein quantenmechanisches Phänomen, das auftritt, wenn zwei leitende Metallplatten im Vakuum sehr nahe beieinander platziert werden. Durch die Quantenfluktuationen des elektromagnetischen Feldes entsteht eine anziehende Kraft zwischen diesen Platten, obwohl es keinen klassischen Grund für diese Anziehung gibt. Zwischen den beiden leitenden Metallplatten können nur elektromagnetische Wellen bestimmter Wellenlängen existieren, während außerhalb der Platten alle möglichen Wellenlängen vorkommen können. Deshalb entsteht ein Ungleichgewicht im Druck, der von diesen Fluktuationen ausgeübt wird. Dieses Ungleichgewicht führt dazu, dass die Platten von außen zusammengedrückt werden. Der niederländische Physiker Marcus J. Sparnaay (1923 – 2015) konnte den Casimir-Effekt bereits 1958 experimentell bestätigen. Momentane Messungen deuten auf eine Energiedichte des Vakuums von ca. 10−11J/m3 bis 10−9J/m3 hin. Dies ist eine quantenphysikalische Erkenntnis.

Wir könnten nun meinen, dass die Vakuumenergie der Quantenphysik die astronomische Frage der Dunklen Energie, welche die beschleunigte Expansion des Universums verursachen soll, klären könnte. Kosmologische Modelle sagen aber Werte vorher, die um einen gigantischen Faktor von 10120 größer sein müssten als der Wert aus der Quantenphysik. Es gab wohl noch nie in der Wissenschaft eine Ungenauigkeit von 120 Zehnerpotenzen! Die Vakuumenergie erklärt also nicht die Expansion des Universums. Die Probleme rund um die Vakuumenergie und die Dunkle Energie verhindern momentan, dass sich die Kosmologie und die Quantenphysik vollständig verbinden können. Es muss da noch Energieformen geben, die nie ein Mensch zuvor erkannt hat. Wir haben also den Zusammenhang zwischen Energie und Raum bzw. Vakuum noch nicht verstanden.

Nichtsdestotrotz bewerben manche Menschen Stromgeneratoren, welche mit der unerschöpflichen Energiequelle arbeiten sollen, welche kostenlos und umweltfreundlich für alle da sein soll: Die Vakuumenergie bzw. Freie Raumenergie bzw. Nullpunktsenergie, also die Energie des leeren Raumes, die die Physiker noch nicht verstehen können. Heutzutage machen Menschen keine Werbung mehr für Räder, die sich ewig drehen sollen, man braucht etwas Moderneres, mit Quanten und so. Ob die Wissenschaft auch etwas dazu zu sagen hat, ist für Freie-Energie-Freaks nebensächlich.

Kehren wir zu den hypothetischen Freie-Energie-Maschinen zurück, die ihr im Internet kaufen sollt. Der gewöhnliche Hausverstand und jegliche Erfahrung sagen uns, dass man aus dem leeren Raum nichts mehr herausholen kann, auch dann nicht, wenn die Physiker ein kleines bisschen Energie darin gefunden haben. Diese Freie-Energie-Generatoren, welche im Web auf vielen Fotos abgebildet sind, stehen wohl momentan nur als Prototyp im Labor zur Verfügung. Es kursieren viele technische Zeichnungen und Baupläne für Motoren oder Generatoren auf Freie-Energie-Basis. Moderne Freie-Energie-Generatoren bestehen aus gewöhnlichen Werkstoffen, wie auch eine elektromechanische Maschine, also ein E-Motor oder ein Generator. Man muss gegebenenfalls noch ein Hochspannungsfeld erzeugen, um dann Energie, also die freie Raumenergie, herausholen zu können. Es sollte sich also eine Welle, die im Hochspannungsfeld liegt, zu drehen beginnen. Das alles hat mit den Spinnereien eines Nikola Tesla nichts mehr zu tun, es sind eben andere Spinnereien.

Weder durch die Lorentzkraft, mit der ein Motor arbeitet, noch durch die Induktion nach Faraday kann man eine neue Energieform erzeugen; man kann lediglich Bewegungsenergie und elektrische Energie ineinander überführen. Die Maxwell’sche und Einstein’sche Theorie sagt uns klar, dass an keinem leeren Punkt des Universums sich eine Drehbewegung einer Welle, also eines Stabes, ergeben wird, wenn man eine magnetische oder elektrische Feldstärke erzeugt. Es gibt auch keinen bekannten Quanteneffekt, der nicht der Energiebilanz unterworfen wäre. Und so ist es auch kein Wunder, dass wissenschaftliche Fundamente, wie die Hauptsätze der Thermodynamik, in der Freie-Energie-Szene ignoriert werden.

Der folgende wirtschaftliche Test für Freie-Energie-Maschinen ist leider erst dann durchführbar, wenn du eine Freie-Energie-Anlage gekauft hast. Aber ich möchte dich davor bewahren, für so einen Nonsens Geld auszugeben! Einige alternative Autor*innen, die die Nutzung der Freien Energie bewerben, verkaufen Bücher, Videos und halten Vorträge ab. Echte Freie-Energie-Freaks meinen, dass die Forschungen auf diesem Gebiet unterdrückt werden. Wahrscheinlich wollen die Energiekonzerne nicht wahrhaben, dass man die alte konventionelle Physik durch nonkonventionelle Ansätze ergänzen oder ersetzen kann. Andere legen uns faulen Europäern nahe, dass wir es nicht riskieren sollen, dass China und Afrika zuerst die Freie Energie zu nutzen lernen, und dass wir deshalb jetzt investieren sollen. Wiederum andere bieten heute schon Modellbausätze für Freie-Energie-Maschinen an. Solche Geschäftsmodelle können zweifellos wirtschaftlich sein. Diese Generatoren könnten wir nun kaufen, aufbauen, begutachten und ermitteln, ob sie in der Tat Nutzenergie abgeben. Es ist für dich und mich möglich, auf eine einfache Art zu testen, ob das vorgestellte Perpetuum mobile in der Tat Leistung zur Verfügung stellt. Wir müssen lediglich einen elektrischen Verbraucher, z. B. eine Glühlampe, anschließen und nachprüfen, dass keine Fremdenergie in das System kommt, während die Lampe im Dauerbetrieb leuchtet. Man sollte jeden, der an eine Freie-Energie-Maschine, also an ein Perpetuum mobile glaubt, anhalten, sich solche Maschinen zu kaufen oder selbst zu bauen. Mit einem Arsenal an Freie-Energie-Maschinen, welche außer Anschaffungskosten keine weiteren Kosten erzeugen, kann ja jeder reich werden und nebenher die Umwelt retten.

Das Konzept eines Perpetuum mobiles widerspricht allen Grundlagen unserer Physik. Ein Perpetuum mobile existiert, soweit die Physik es sagen kann, nicht. Nichtsdestotrotz werden seit hundert Jahren solche Maschinen angeboten. In letzter Zeit wurden Perpetua mobilia modern, welche angeblich auf Freie-Energie-Basis funktionieren. Auf Plattformen, wo Freie Energie angeboten wird, kriegt man auch Energie aus Atlantis, Pyramidenenergie und Strömungs-, Wirbel- und Implosionstechnologien. Man wird mit Verschwörungstheorien um die bösen großen Energieriesen umgarnt. Es herrscht jedoch eine klare Trennung zwischen esoterischer Freier Energie und energiebewusstem Haushalten und alternativen Energiequellen, um den CO2-Haushalt zu beachten.

Vielleicht kannst du mit der Geschichte Nikola Teslas das Dilemma so mancher Pseudowissenschaften besser verstehen. Die einen werden durch Erdstrahlen geschädigt – aber es gibt keine Erdstrahlen. Die anderen werden durch Elektrosmog geschädigt – aber die Telekommunikation arbeitet mit minimaler Sendeleistung. Aber Tesla, der Strahlen mit großen Leistungen hinauspulvern wollte, wird in der Szene als ein Held und Vorreiter gefeiert! Wenn man Teslas Weltenergienetz gebaut hätte, müsste man in der Tat von Elektrosmog reden. Um die mögliche Wirkung von „Elektrosmog“ oder „Erdstrahlen“ auf den Menschen zu testen, ist ein Doppelblindversuch notwendig, wie Du in meinem Buch lesen kannst.  
 
 
„Emmy Noether.“ Die Entdeckungen großer Forscher, BR-alpha, 2013, https://www.br.de/mediathek/podcast/die-entdeckungen-grosser-forscher/emmy-noether/44983.
 
Freistetter, F. „Freie Energie.“ Der Standard, 12.11.2014, http://derstandard.at/2000007990703/Freie-Energie-fa-enei.
 
Carroll, R. T. „Free energy machine.“ Skeptic’s Dictionary, 2015, http://skepdic.com/freeenergy.html.
 
Freistetter, F. „Folge 182: Emmy Noether und die Erhaltungssätze der Physik.“ Sternengeschichten Podcast, 20.5.2016, https://www.youtube.com/watch?v=HaX0c70urmY.
 
„Freie Energie – gibt es das?“ ZDF, 2017, https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/videos/lesch-und-co-freie-energie-102.html.
 
„Free energy, thermodynamics.“ Encyclopædia Britannica, 2017, https://www.britannica.com/science/free-energy.
 
Jachan, M. „Kennt jemand jemanden, der einen funktionierenden Prototyp erfunden hat, der ohne konventionelle Energie zu verwenden, elektrische Energie herstellen kann?“ Ruhrbarone, 26.1.2018, https://www.ruhrbarone.de/kennt-jemand-freie-energie/150879.
 
„Emmy Noether und das Team im Rücken.“ Geschichten aus der Mathematik, 19.11.2024, https://podcastaddict.com/geschichten-aus-der-mathematik/episode/186404398.
 
Jachan, M. „Paranormale Behauptungen auf dem Prüfstand – Von Wünschelruten, Elektrosmog und Parapsychologie.“ Springer, 2024, https://www.google.com/search?q=978-3-662-69898-3.

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