Korrelation und Kausalität

Im Buch Paranormale Behauptungen auf dem Prüfstand – Von Wünschelruten, Elektrosmog und Parapsychologie (https://www.google.com/search?q=978-3-662-69898-3) erkläre ich auch gewisse Aspekte der Statistik – es führt kein Weg daran vorbei. Hier im Blog muss ich dieses Verbrechen wiederholen.

Der Mensch hat über Jahrtausende hinweg allmählich gelernt, zwischen Korrelation (lat. correlatio ,Wechselbeziehung‘) und Kausalität (lat. causa ,Ursache‘) zu unterscheiden. Die formelle und systematische Unterscheidung, wie wir sie heute verstehen, wurde jedoch größtenteils in der Philosophie der Neuzeit und in der Entwicklung der modernen Statistik ab dem 19. Jahrhundert vollzogen. Sie ist das Ergebnis eines langen Prozesses in der Geschichte der Philosophie, Wissenschaft und Statistik.

Schon in der antiken Philosophie, insbesondere bei Aristoteles (384 – 322 v. u. Z.), gibt es Ansätze zur Unterscheidung von Ursache und Wirkung. Aristoteles’ „Vier-Ursachen-Lehre“ unterschied zwischen Stoffursache, Formursache, Wirkursache und Finalursache, was eine frühe Grundlage zur Unterscheidung von Kausalität und anderen Beziehungen darstellte. Im Mittelalter wurden diese Gedanken weitergeführt, vor allem im Rahmen theologischer und philosophischer Überlegungen. Es war jedoch vor allem die Wissenschaft der Neuzeit, die das Verständnis von Kausalität und ihre Beziehung zu Beobachtungen vertiefte.

Der schottische Philosoph David Hume (1711 – 1776) gilt als eine Schlüsselfigur bei der Frage nach Kausalität. Er erklärte Kausalität als eine menschliche Vorstellung, die auf Gewohnheit und nicht auf rationaler Einsicht beruhe. Er behauptete, dass wir keine direkte Wahrnehmung von Ursache und Wirkung haben, sondern lediglich sehen, dass bestimmte Ereignisse regelmäßig aufeinander folgen. Aus dieser wiederholten Beobachtung schließen wir auf eine kausale Verbindung, obwohl es in der Natur keine objektiv notwendige Kausalität gibt. Hume war skeptisch gegenüber der Idee, dass es eine absolute, feststehende Ursache-Wirkungs-Beziehung in der Welt gibt – es sei lediglich eine mentale Konstruktion. Ein Beispiel für David Humes Methode zur Kausalität: Stell dir vor, du beobachtest wiederholt, wie jemand eine Kerze anzündet. Jedes Mal, wenn die Flamme mit dem Docht in Berührung kommt, beginnt die Kerze zu brennen. Dies geschieht jedes Mal, wenn du die Handlung wiederholst. Durch diese ständige Wiederholung entsteht bei dir die Erwartung, dass das Berühren des Dochtes durch die Flamme das Brennen der Kerze verursacht. Obwohl du die regelmäßige Abfolge von Ereignis A (Flamme) und Ereignis B (Brennen der Kerze) beobachtest, siehst du nie eine direkte notwendige Verbindung zwischen ihnen. Du kannst nicht durch reine Beobachtung feststellen, dass die Flamme „die Ursache“ des Brennens ist, du erwartest es nur aufgrund wiederholter Erfahrungen. Deine Überzeugung, dass A B verursacht, basiert nicht auf einer logischen Einsicht, sondern auf einer psychologischen Gewohnheit, die durch die ständige Wiederholung dieser Ereignisse entsteht.

Die moderne Physik legt uns nahe, dass Kausalität fundamentaler ist, als Hume es vermutete. Heute wissen wir über die naturwissenschaftlichen Grundlagen bezüglich Brennbarkeit Bescheid, was obiges Beispiel besser erklären kann. Quantenphysik und Relativitätstheorie haben zwar die Vorstellung einer absolut notwendigen, linearen Kausalität infrage gestellt, dennoch kann man sagen, dass die letzte Ursache aller Ursachen die Quentenfluktioationen während des Urknalls war. Dies alles widerspricht Humes Ansicht, dass Kausalität lediglich eine psychologische Projektion ist.

Der englische Philosoph, Logiker und Feminist John S. Mill (1806 – 1873) formulierte eine Reihe von methodologischen Prinzipien zur Feststellung von Kausalität, bekannt als Induktion. Diese Methoden halfen, Regeln zu etablieren, wie man von Korrelation auf mögliche kausale Zusammenhänge schließen kann, obwohl sie ebenfalls nicht immer kausale Sicherheit garantieren. Stellen wir uns vor, es gibt eine Gruppe von Menschen, die nach einem Abendessen an Übelkeit leiden. Um die Ursache der Übelkeit zu finden, wird untersucht, was alle Betroffenen gemeinsam gegessen haben. Person A hat Salat, Suppe, Brot und Fisch gegessen und ist krank geworden. Person B hat Salat, Suppe, Hühnchen und Brot gegessen und ist krank geworden. Person C hat Salat, Reis und Brot gegessen und ist krank geworden. Person D hat Salat, Suppe und Steak gegessen und ist krank geworden. Induktionsschritt: Der gemeinsame Faktor in allen vier Fällen ist der Salat. Alle Personen, die krank geworden sind, haben Salat gegessen, obwohl ihre anderen Speisen unterschiedlich waren. Kausalhypothese: Nach Mills Methode der Übereinstimmung könnte der Salat die Ursache für die Übelkeit sein, weil er der einzige gemeinsame Faktor in allen Fällen ist, in denen das Phänomen (Übelkeit) auftritt.

Obwohl Mills Induktionsmethoden für die empirische Wissenschaft von großem Nutzen waren, haben sie grundlegende Schwächen. Sie setzen Kausalität oft mit wiederholter Beobachtung gleich, erklären aber nicht die notwendige Verbindung zwischen Ursache und Wirkung. Zudem sind sie für komplexe und probabilistische Systeme unzureichend und verwechseln oft Korrelation mit echter Kausalität. Mills Kausalitätskonzept ist somit in vielen Fällen nicht präzise genug, um die Komplexität kausaler Beziehungen vollständig zu erklären. Mit der Entwicklung der Statistik ab dem 19. Jahrhundert, wurde die Unterscheidung zwischen Korrelation und Kausalität immer präziser.

Karl Pearson (1910) (Public Domain).

Karl Pearson (1910) (Public Domain).

Der Begriff Korrelation wurde formell in der Statistik definiert, insbesondere durch die Arbeiten von Sir Francis Galton (1822 – 1911) und Karl Pearson (1857 – 1936), der den Pearson-Korrelationskoeffizienten entwickelte. Er stellte fest, dass eine hohe Korrelation zwischen zwei Variablen nicht zwangsläufig bedeutet, dass eine die Ursache der anderen ist.

Ronald Fisher (1913) (Public Domain).

Ronald Fisher (1913) (Public Domain).

Im 20. Jahrhundert, vor allem mit den Arbeiten des Statistikers Ronald A. Fisher (1890 – 1962) wurde die formale Unterscheidung zwischen Korrelation und Kausalität noch klarer. Fisher entwickelte die experimentelle Methode der randomisierten kontrollierten Studien, um kausale Zusammenhänge systematisch zu testen.

Sir Clive W. J. Granger (1934 – 2009) entwickelte das Konzept der Granger-Kausalität, das verwendet wird, um die zeitliche Abhängigkeit zwischen zwei Variablen zu analysieren. Die Granger-Kausalität basiert auf der Idee, dass eine Variable A eine Kausalität zu einer anderen Variable B aufweist, wenn vergangene Werte von A signifikante Informationen zur Vorhersage der zukünftigen Werte von B liefern können, über das hinaus, was bereits durch vergangene Werte von B allein erklärt werden kann. Dafür gewann er den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften 2003.

Auch in den Weltreligionen spricht man oft über Kausalität, wenn man aber nur Korrelation meint. Selig- bzw. Heiligsprechungen in der katholischen Kirche sind formelle Prozesse, bei denen Personen, die ein vorbildliches christliches Leben geführt haben und „nachweislich“ Wunder vollbracht haben, als Selige bzw. Heilige anerkannt werden. Mutter Teresa (1910 – 1997) werden zwei Wunder zugeschrieben. Die Inderin Monica Besra litt 1997, in dem Jahr als Mutter Teresa starb, angeblich an einem bösartigen Eierstocktumor. Die Ärzte hatten sie aufgegeben und sie kam in das Pflegeheim des Ordens Missionare der Nächstenliebe, der von Mutter Teresa gegründet wurde. Die Schwestern legten ihr am 5. September 1998, dem ersten Todestag Mutter Teresas, eine Marienmedaille Mutter Teresas auf die betreffende Stelle am Unterleib, um sie zu trösten. Am Abend desselben Tages soll sich dann die Heilung ereignet haben. Ärzte konnten sich die plötzliche Heilung des Tumors nicht erklären.

Ein wichtiger Teil des Prozesses der Selig- und Heiligsprechung war die Ernennung eines sogenannten „Advocatus Diaboli“, dessen Aufgabe es ist, Zweifel und kritische Argumente dagegen vorzubringen. In den frühen 1980er Jahren wurde diese Rolle formell abgeschafft, aber die Kirche bezieht weiterhin kritische Stimmen ein. Im Fall von Mutter Teresas Seligsprechung bat der Vatikan den Journalisten und Atheisten Christopher E. Hitchens (1949 – 2011) als Zeuge der Gegenseite auszusagen. Hitchens bezweifelte die Heilung öffentlich und stellte sie als medizinisch erklärbar dar. Er argumentierte, dass es keine ausreichenden Beweise dafür gebe, dass die Heilung übernatürlich war, sondern dass sie auf eine medizinische Behandlung zurückzuführen sei. Ärzte, die Monica Besra behandelten, bestätigten ebenfalls, dass sie Medikamente und medizinische Hilfe erhalten hatte, die ihre Genesung bewirkten. Einige von ihnen erklärten sogar, dass es sich nicht um einen Tumor, sondern eine tuberkulöse Abszessbildung, die medikamentös behandelt worden war, handelte. Hitchens meinte, dass die katholische Kirche den Begriff „Wunder“ benutzt, um ihre eigenen Glaubensvorstellungen zu stützen, ohne die Tatsachen wissenschaftlich oder rational zu hinterfragen. Er beschuldigte die Kirche, absichtlich eine spirituelle Erklärung zu bevorzugen, obwohl es für das angebliche Wunder eine medizinische und natürliche Erklärung gab. Hitchens nannte es einen „Betrug“ und sah es als Beweis dafür, dass die Wunder, die oft in Heiligsprechungsprozessen verwendet werden, nicht authentisch sind, sondern der Legitimation der Kirche dienen.

Hitchens erhob in seinem Buch The Missionary Position: Mother Teresa in Theory and Practice weitere scharfe Kritik an Mutter Teresa. Er warf ihr unter anderem vor, das Leiden der Armen eher zu glorifizieren, als es zu lindern und dass sie in ihren Einrichtungen wenig unternahm, um die Lebensbedingungen der Kranken und Sterbenden zu verbessern. Aber das ist eine andere Geschichte.

Das zweite Wunder, das zu ihrer Heiligsprechung führte, wurde 2015 von Papst Franziskus anerkannt. Es betraf die Wundheilung eines brasilianischen Mannes, dessen Name nicht öffentlich bekannt gegeben wurde, der 2008 an mehreren Hirntumoren litt. Trotz aller Behandlungen verschlechterte sich sein Zustand rapide, und die Ärzte gaben ihm wenig Überlebenschancen. Am 9. Dezember 2008 wurde er für eine weitere Operation in ein Krankenhaus eingeliefert. Seine Frau und Familie beteten intensiv zur Mutter Teresa und baten sie um Fürsprache, um ein Wunder zu bewirken. Berichten zufolge wurde der Mann kurz vor der geplanten Operation plötzlich wieder gesund. Die Tumore verschwanden auf unerklärliche Weise, und die Ärzte konnten keine medizinische Erklärung für seine spontane Heilung finden. Der Mann erholte sich vollständig und kehrte zu einem normalen Leben zurück. Im September 2016 wurde Mutter Teresa von Papst Franziskus offiziell heiliggesprochen.

Bei Johannes Paul II. (1920 – 2005) sieht es nicht besser aus: Eine französische Nonne, Schwester Marie Simon-Pierre, litt an Parkinson, derselben Krankheit, die auch der ehemalige Papst hatte. Nach seinem Tod beteten sie und ihre Gemeinschaft zu ihm um Heilung. 2011, zwei Monate später war sie vollständig von der Krankheit geheilt, was als Wunder für seine Seligsprechung anerkannt wurde. Das zweite Wunder für die Heiligsprechung betraf eine Frau aus Costa Rica, die an einem Hirnaneurysma litt. Sie betete zu Johannes Paul II., und ihre spontane Heilung 2013, die medizinisch unerklärlich war, wurde als Wunder anerkannt.

Stop Global Warming: Become a Pirate (FSM License).

Stop Global Warming: Become a Pirate (FSM License).

Für uns Pastafari ist der wichtigste „Beweis“ dafür, dass das Wirken des Fliegenden Spaghettimonsters in der Tat wissenschaftlich nachweisbar ist, dass die globale Durchschnittstemperatur ansteigt, seit die Pirat*innenanzahl zurückgeht. Diese Abhängigkeit des Weltklimas von der Pirat*innendichte könne man „beweisen“, indem man die Korrelation zwischen Pirat*innendichte und globaler Durchschnittstemperatur analysiert. Je weniger Piraten, desto höher wird die Durchschnittstemperatur, und umgekehrt. Unser Prophet Bobby Henderson (geb. 1980) (Nudeln und Bier seien mit Ihm) schlug vor, dass die UNO dafür sorgen soll, dass es wieder mehr Pirat*innen gibt, um die globale Erwärmung einzudämmen.

Nur weil zwei Messgrößen miteinander korrelieren, heißt das noch lange nicht, dass die eine die andere, oder die andere die eine, bedingt. Viele Menschen verwechseln auch ein zeitliches Nacheinander von zwei Ereignissen mit einer kausalen Beziehung beider. Nur weil zwei Messgrößen sich kurz nacheinander verändern, heißt das noch lange nicht, dass die vorangehende die folgende bedingt. Das waren Beispiele für Scheinkausalität. Um echte Kausalität von Scheinkausalität unterscheiden zu können, müssen wir einen Doppelblindversuch durchführen, wie in meinem Buch erklärt wird. Nun, ich gebe zu, es ist schwer, Doppelblindstudien mit vielen Teilnehmer*innen zum Thema Spontanheilung durchzuführen. Das ist meiner Meinung nach mit ein Grund, warum Irrglauben wie Religion oder Pseudomedizin so tief im Volk verwurzelt sind.  
 
 
„Die Regularitätstheorie der Kausalität.“ Philoclopedia.de, 31.10.2019, https://www.philoclopedia.de/2019/05/17/die-regularit\%C3\%A4tstheorie-der-kausalit\%C3\%A4t.
 
„Correlation Does Not Imply Causation: 5 Real-World Examples.“ Statology.org, 18.8.2021, https://www.statology.org/correlation-does-not-imply-causation-examples.
 
„Korrelation und Kausalität.“ Studyflix.de, 2024, https://studyflix.de/statistik/korrelation-und-kausalitat-2216.
 
„Spurious Correlations.“ Tylervigen.com, 2024, http://www.tylervigen.com/spurious-correlations.
 
„207 Teenager-Heiliger: Wunder endlich entdeckt!“ Man Glaubt Es Nicht!, 10.12.2024, https://soundcloud.com/user-869937591/207-teenager-heiliger-wunder-endlich-entdeckt.
 
Jachan, M. „Paranormale Behauptungen auf dem Prüfstand – Von Wünschelruten, Elektrosmog und Parapsychologie.“ Springer, 2024, https://www.google.com/search?q=978-3-662-69898-3.

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